Vorwort:

Auf nach Istanbul… auch wenn ich mich in diese Stadt verliebt habe, so war der Anlass diesmal die Verabschiedung meines Airbnb Hosts Savas, bei dem ich bei meinem letzten Aufenthalt gewohnt habe. Denn dieser hat seine Ankündigung von November 2015 tatsächlich wahr gemacht und macht sich auf den Weg nach Südamerika, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen.

Auf die Einladung per Facebook zu seiner Abschiedsparty in seiner Stammkneipe Bodega Bar habe ich spontan mit einer Flugbuchung reagiert und so hieß es am Freitagnachmittag, PC ausschalten, Tastatur fallen lassen und auf vom Büro zum Düsseldorfer Flughafen. Flug und Unterkunft für zwei Nächte haben mich 150 Euro gekostet, nach den Anschlägen in letzter Zeit buhlt Istanbul um seine Gäste… leider.

Freitag, 17.06.

Der Trip startete genauso kurios wie er endete. Nach dem das Innere meines Körpers den Körperscanner-Test erfolgreich bestanden hat, verlief der Check meines Handgepäcks nicht so erfolgreich. Erst leuchtete ein rotes Lämpchen auf, dann wurde der Rucksack auf ein anderes Förderband umgeleitet und nach einem kurzen Funkruf des Sicherheitspersonals bauten sich nach ein paar Sekunden zwei Bundesgrenzschutzbeamte mit Maschinepistolen um die Schultern hinter mir auf.

Ups. Was jetzt. Mir wurde schlagartig etwas mulmig, ob der der Wischertest zur Feststellung der Drogen positiv ausfallen könnte. Dabei ging es weniger um mich, sondern eher um Spuren auf meinem Rucksack, der zugegeben schon auf Bänken, unter Tischen und sonst weiß Gott wo in welchen Etablissements herumgelegen hat. Nach dem mein Körperschweiß keine Spuren von Drogen enthielt, wurde der Rucksack Stück für Stück unter die Lupe genommen. Anscheinend ist ein Alleinreisender Mitdreißiger mit Handgepäck und Kurzaufenthalt in Istanbul ein potentieller Drogenschmuggler. Der Test war negativ und die Sicherheitsbeamtin und die bis dahin schweigenden Bundesgrenzschützer verabschiedeten sich nett. Ich wiederum verabschiedete mich mit einem Lächeln von der gaffenden Familie am Nachbar-Förderband, die die Kontrolle aufmerksam beobachteten und wahrscheinlich auf eine spektakuläre Verhaftung meinerseits gerechnet hatten.

Ankunft in Istanbul. Das Spielchen mit der Istanbulcard und dem passen 10 TL Schein kannte ich ja nun und so saß ich am Abend und bei schönstem Wetter in der Bahn nach Sultanahmet. Mein Hotel lag direkt unterhalb der „Blauen Moschee“, in einer der zahlreich gelegenen kleinen Gassen. Nach dem ich mein Gepäck abgeliefert hatte, macht ich mich ofort zurück zum Sultan Ahmet Park.

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Hunderte von Familien saßen im Park vor und um die Moschee herum und im angrenzenden Mehmet Akif Ersoy Park fand eine große Feier anlässlich eines neuen Bauprojekts statt. Wenn ich es richtig verstanden habe, soll es an diesem Tag einen Spatenstich gegeben haben, da der Park ausgebaut oder erneuert wird.

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Angst vor Terror habe ich an diesem Abend nicht gespürt, ganz im Gegenteil. Alle waren gut gelaunt, die Stimmung an diesem warmen Abend war bestens und ich kam schnell mit Leuten in Kontakt und durfte sogar noch die ein oder andere Leckerei vom Grill mitessen. Das nenne ich Gastfreundschaft. Auf dem Weg zurück zum Hotel kehrte ich noch im Mezale Cafe, direkt oberhalb Arasta Bazars. Hingelockt hat mich nicht nur der Hunger, sondern vielmehr die Live-Musik und vor allem der tanzende bzw. sich drehende Derwisch.

Eigentlich handelt es sich um Anhänger des Mevlevi-Ordens und der Tanz dient dazu in Trance und damit Allah näher zu kommen. Allerdings sind die Aufführungen in den Cafes reines Touristenspektakel.

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Dennoch sitzt man in diese Cafe in tollem Ambiente zwischen Wasserpfeifen und gutem Essen. Ein Besuch lohnt sich.

Samstag, 18.06.

Am nächsten Morgen machte ich auf zu meinem Lieblingsplatz, dem Setüstü Cay Bahcesi, direkt gelegen am Gülhane Park. Eigentlich wollte ich den sonnigen Morgen dort verbringen und bei einer Tasse Tee den Ausblick auf den Bosporus genießen… doch was war das. Das Tee-Garten Cafe existiert nicht mehr und war dem Erdboden gleich gemacht. Sehr schade.

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Also entschied ich mich runter zur Galata Brücke zu laufen und dort den Vormittag auf einer kurzen Rundfahrt über den Bosporus zu genießen. Ticket gekauft und auf das falsche Schiff gestiegen. Oh. Statt einer dreistündigen Rundfahrt kam ich um 13 Uhr in Anadolu Kavagi, einem kleinen Ort nahe der Einmündung zum Schwarzen Meer an.

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Den zweistünden Aufenthalt nutzt ich um die paar wenigen Straßen der Ortschaft zu erkunden und vor allem um im vierten Stock eines Restaurants mit tollen Blick auf das Meer zu essen. Fischliebhaber sollten dort tatsächlich Fisch bestellen, der Ort ist bekannt für seine tollen Fischgerichte. Ich habe allerdings wie üblich, den Fleischteller vorgezogen.

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Um 15 Uhr ging es bis auf ein paar wenige Stops zurück in den Stadtteil Eminönü, besser gesagt ins Viertel Sultanahmet.

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Die Fahrt nutzte ich um ein wenig im Buch „Wu Wei – Die Lebenskunst de Tao“ zu lesen. Quasi eine Anleitung chinesischer Weisen das Leben in seiner ganzen Vielfalt anzunehmen und zu genießen. Beobachten, erkennen – nicht denken oder handeln. Wu Wei bedeutet nicht, dass man gar nicht handelt, sondern dass die Handlungen spontan in Einklang mit dem Dao entstehen und so das Notwendige getan wird, jedoch nicht in Übereifer und blindem Aktionismus, die als hinderlich betrachtet werden, sondern leicht und mühelos. Es ist ein Zustand der inneren Stille, der zur richtigen Zeit die richtige Handlung ohne Anstrengung des Willens hervortreten lässt. Soweit so gut. Schon einmal in die Ferne geblickt und versucht die Landschaft nur zu erfassen, nicht aber in Gedanken abzuschweifen. Mir gelingt das nur sporadisch.

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Zurück im Hotel machte ich mich kurz frisch und kam pünktlich zum Ruf des Muezzin an der blauen Moschee vorbei.

Ich schlenderte die Straßen entlang, über die Galata Brücke, nahm die Standseilbahn von Talstation Kabatas zur Bergstation Taksim Platz und suchte auf der Istiklal Caddesi ein günstiges Restaurant, um mir vor der Abschiedsparty noch ein Grundlage „anzufressen“. Ein gute Altenative fand ich im Altin Balik Fish House mit einem interessanten Ausblick, denn das Restaurant liegt direkt an einer Einbahnstraße, an der die Autos mit viel Geschick die Haupteinkaufsstraße überqueren.

Spannend wurde es allerdings als mehrere große gepanzerte Polizeiwagen und Busse die mit Abgrenzungspfählen bestückte Straße befahren mussten und zahlreiche schwerbewaffnete Polizisten den Weg abriegelten. Grund für das große Aufgebot war die angekündigte „Trans Pride“-Demo, die im im Zusammenhang mit der Aktionswoche der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender- (LGBT)-Bewegung in der Türkei stattfand. Der Istanbuler Gouverneur hatte jedoch zuvor Demonstrationen anlässlich der Pride Week verboten und in der Nacht hatte die Polizei die Kundgebung dann gewaltsam aufgelöst. Auf der Abschiedsparty hatten wir das aber nicht bekommen, obwohl das Ganze nur ein paar hundert Meter entfernt von statten ging. Gegen 21 Uhr traf ich in der Bodega Bar ein und Savas und die ersten Gäste waren schon da. Es war ein fröhliches Wiedersehen mit Savas und so quatschten wir den ganzen Abend unter anderem mit einem Pärchen die ebenfalls aus Deutschland, Bremen, angereist waren.

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Es wurde gelacht, getrunken und getanzt, aber gegen zwei Uhr Nachts verließ ich die Bar. Savas und ich verabschiedeten uns und verabredeten uns in seiner neuer Heimat, die laut seinen Plänen Costa Rica oder Ecuador heißen soll.

Sonntag, 19.06.

Auf Grund der Uhrzeit und zugegeben dem ein oder anderen Bier wollte ich die Nacht lieber durchmachen, als es zu riskieren im Hotel zu verschlafen und den Flieger um 10.40 Uhr zu verpassen. Also verbrachte ich die Zeit bis zum Morgen auf der Istiklal Caddesi und ließ mich bis zum Morgen von Street Musicians unterhalten. Immer wieder stießen ein paar Zuhörer dazu und setzten sich mit auf die Straße und „feierten“ mit. Feiern mit Anführungszeichen, mein zerknautschtes Gesicht beschreibt meinen Status sehr betreffend 😀

Als mir um sechs Uhr morgens die Sonne ins Gesicht schien und ich am Hotel ankam, packte ich nur kurz meine Sachen, checkte aus und machte mich auf dem Weg zum Flughafen. Gate 23, Boarding 10 Uhr. Na, da hatte ich doch genug Zeit. Ich wollte mich eigentlich nur kurz ausruhen und nutzte die leeren Bänke vor dem Check-In Schalter um mich kurz auszuruhen. Geweckt wurde ich von einer freundlichen Dame, die mich fragte wann und wohin ich fliegen wollte. Als ich antwortete, dass ich direkt von Gate 23 nachher den Flieger nach Düsseldorf nehmen würde, schaute sie etwas irritiert und sagte im hektischen englisch, dass es bereits 10.20 Uhr, das Gate geändert und das Boarding nun auch schon abgeschlossen sei und der Flieger nun von Gate 7 starten würde. Und ich… war plötzlich hellwach. Und dann waren da noch sie und zwei andere Angestellte, die mich durch die Wartehallen schleiften , mir meine Pass entwendeten, um in einem Büro das Boarding zu organisieren. Sekunden später fand ich mich plötzlich in einem leeren noblen Bus wieder, der mich in rasanter Fahrt über das Rollfeld zum Flugzeug brachte. Klasse, wenn so Boarding ohne Wartezeit und „Privatfahrt“ aussieht, na dann kann auch mal verschlafen.

Im Flieger trafen mich die überraschten Blicke der anderen Passagiere, da ich aber keine Verspätung verursachte, blieb das verachtende Klatschen, das ich sonst in solchen Situationen kenne und an dem ich mich gerne auch mal beteiligt hatte, aus. Kurz nach dem der Flieger startete schlief ich ein und wachte erst kurz vor dem Landeanflug durch das kräftige Anstoßen der Stewardess auf. Zugegeben, sie musste etwas ruppiger werden, andernfalls hätte sie mich wohl nicht wach bekommen. Der Blick ins Gesicht meiner Sitznachbarn rechts und links verriet mir, dass ich entweder im Schlaf gesprochen, gesungen oder doch einfach nur geschnarcht hatte. Freundlich ignoriert wurde ich hingegen von dem Passagieren um mich herum, die Ohrstöpsel bzw. Kopfhörer auf den Ohren trugen. Das waren glücklicherweise viele, auffällig viele.

Fazit:

Schade, dass die derzeitige politische Lage in der Türkei bei vielen ein mulmiges Gefühl auslöst. Ich selbst habe dieses Gefühl nicht und konnte es während meines Kurzaufenthalts auch nicht bei anderen Touristen feststellen. Allerdings bestätigten die Istanbuler selbst, dass man die zurückgehenden Touristenzahlen deutlich spüren würde. Ich hoffe, dass sich die politische Situation und die Meinungsverschiedenheiten der politischen Ebenen in Europa nicht weiter auf das Leben bzw. das Lebensgefühl der Menschen in der Türkei auswirkt. Für mich ist und bleibt Istanbul die spannendste Stadt Europas.

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