Vorwort:
Unsere Tochter Josefine war gerade 4 Wochen alt und nach anfänglichen Startschwierigkeiten entwickelte sie sich prima. Obwohl der errechnete Geburtstermin erst für Mitte Mai terminiert war, also zum Zeitpunkt der Abfahrt in rund zwei Wochen, hatten Hebamme und Ärzte keine Bedenken, dass wir unseren ersten kurzen Urlaub schon jetzt antraten. „Das Kind ist fit und es kann nicht schaden, dass sie sich als Eltern auch etwas Gutes gönnen“. Super. Auf ging es.
Samstag, 5.5.
Entgegen meiner Philosophie möglichst wenig Gepäck mitzunehmen, war nun Umdenken angesagt. Fläschchen, Kinderwagen, Spucktücher, Windeln, Spucktücher, Schnuller, Spucktücher, Pumpe, Spucktücher… Gott sei Dank befand sich ausreichend Muttermilch im Körper meiner Frau, so dass ich auf die Umrüstung unseres familientauglichen VW Caddy zum Milchtankwagen verzichten konnte.
Alle nicht notwendigen Vorräte aus der Campingbox wurden kurzerhand in die Garage gepackt, alle Sachen im Kofferraum verstaut, die Tochter im MaxiCosi fixiert und die Kühlbox verkabelt. Statt wie geplant um 10 Uhr loszufahren, wurde es natürlich eine Stunde später. Doch bevor es auf die Autobahn ging, besuchten wir noch das Grab unserer heute genau vor einem Jahr verstorbenen Tochter. Wir waren traurig und glücklich zugleich. Glücklich, weil wir heute Anastasias kleine Schwester putzmunter im Arm halten zu konnten.
Autofahren beruhigt und so ging es zwei Stunden ohne großen Mucks in Richtung Meer. Und selbst beim Zwangsstopp wurde der MaxiCosi nur unter Protest verlassen. Doch was sein muss, muss sein. Nach der Fütterung des kleinen Raubtieres – manchmal glaube ich sie zerfetzt vor Gier irgendwann den Flaschensauger – und einen kurzen Spaziergang auf dem Rastplatz, ging es die letzten 45 Minuten bis zum Ziel. Ursprünglich hatten wir für zwei Nächte eines der letzten Hotelzimmer in Egmond gebucht, aber nachdem die Schwiegereltern uns angeboten hatten, ein Zimmer in ihrem für sich gemieteten Appartement für uns freizuziehen, hatten wir das Hotelzimmer wieder storniert. Dies gab uns die Freiheit, nach Lust und Wetterlage entscheiden zu können, ob wir vier, fünf oder sechs Tage bleiben. Immer vorausgesetzt, die Großeltern ertragen das nächtliche Gewusel. Denn schließlich hat die Kleine alle drei bis vier Stunden Hunger und muss gewickelt werden.
Das Wetter war herrlich. Strahlend blauer Himmel und eine frische Brise begrüßten uns bei der Ankunft. Und sofort stellte sich der Urlaubsmodus ein. Natürlich auch, weil das Kümmern der Großeltern uns als Eltern gewisse Freiräume verschaffte. Und so schlenderten wir als Ehepaar ohne Kind nach den gemeinsamen Abendessen noch an die Strandbar, um uns bei einem Getränk den Sonnenuntergang anzuschauen.
Romantik zu zweit. Gerade für frischgebackene Eltern sehr wichtig!
Sonntag, 6.5.
Seeluft macht müde. Kann ich bestätigen. Um 3 Uhr nachts wurde unser „Äffchen“ gestillt und hatte dann zusammen mit Papa sechs Stunden, abwechselnd auf der Brust und in der Armbeuge, geschlafen. Am Stück. Klasse. Entsprechend ausgeschlafen waren Papa und Tochter, während die Mama mit nächtlichen Schüttelfrostattacken zu kämpfen hatte. Doch glücklicherweise ging es ihr beim Frühstück schon wieder besser.
Jeden ersten Sonntag im Monat lockt der Roots Market die Touristen auf den Boulevard. So auch uns. Kleidung, Souvenirs, Gewürze, Spielzeug und sonstigen Firlefanz kann man käuflich erwerben. Doch heute blieben wir stark.
Mit Omi und Kinderwagen ging es weiter über die Einkaufsmeile, die Vootstraat, um spontan neue T-Shirts und Frühchen-Bodies zu kaufen. Ersteres weil die Molkerei Schindler auch sonntags bei der Milchproduktion keine Pause einlegte und die Milchauffangschalen (was es nicht alles gibt) während des Shoppens bereits überliefen und Anky wie ein begossener Pudel mitten auf der Einkaufsstraße stand.
Den Rest des Mittags vertrödelte ich mir mit dem Kinderwagen vor den Geschäften die Zeit, während Frau und Schwiegermutter die Boutiqen durchstöberten und ich schon nach dem Kamerateam vom Guido Maria Ausschau hielt. Ich vermutete einer von beiden hätte sich für das Shopping Queen-Serienspezial „Mooiste toerist van Egmond“ beworben. Ähnlich ging es dem Schwiegervater, der eine halbe Stunde am Boulevard auf uns wartete und sich dann leicht entrüstet auf die Suche nach uns begab. Ende gut alles gut, die Familie war wieder vereint und ein Teil ließ den Mittag im Restaurant De Parel Van Egmond ausklingen.
Wickeln, Füttern, Bespaßen und Massieren von Josefine übernahm am Nachmittag die Oma. Die Chance für uns Eltern uns eine kurze Auszeit zu gönnen, um am Strand spazieren zu gehen.
Während sich die Kinder in die Fluten stürzten, kreischte ich kurz auf, als ich meinen Zeh in Wasser hielt. Verdammt, war das kalt.
Wir schlenderten zum Strandpaviljoen Noordhoek um die Sonne zu genießen, etwas zu trinken und Zukunftspläne zu schmieden.
Nach zwei Stunden meldete sich unser Gewissen und rief das Wort „Rabeneltern“. Über die Dünen ging es zurück zum Appartement, um zwei Stunden mit dem Kind zu kuscheln und die Augen ein paar Minuten zuzumachen. Rolltreppen für die Dünen und Deiche, darauf sind die Niederländer noch nicht gekommen. Wird Zeit… #barrierefrei 😉
Vier Wochen nach der OP ist die Fitness noch nicht ganz hergestellt.
Zum Abendessen ging es ins Restaurant Vlackbij Und alleine für das Dessert „Sinaasappelmousse met licor 43 en chocolade ijs“ würde ich jederzeit wieder dort einkehren. Keines der ganz günstigen Restaurants, aber das Geld wert.
Montag, 7.5.
Die Nacht war hart, für Anky. Schüttelfrost, starke Kopfschmerzen, Fieber vielleicht. Die Suchmaschine kombinierte alle möglichen Begriffe und war sich sicher: es handelt sich um eine Brustentzündung. Die Morgensonne über Egmond konnte die trübe Stimmung nur schwer aufheitern. Was tun, den Urlaub nach zwei Tagen abbrechen, einen Arzt vor Ort aufsuchen oder einfach noch was abwarten.
Wir widersetzen uns dem Internet und schwächten die Diagnose ab. Milchstau. So führte mich mein erster Weg zum „Jumbo“ Lebensmittelmarkt, um Speisequark zu kaufen. Quarkwickel auf der Brust sollen helfen und eine Linderung herbeiführen. Also, 24 Stunden Aufschub, um über einen Abbruch des Urlaubs nachzudenken.
Als ich wieder zurück war stand meine Schwiegermutter vor der Waschschüssel. Was ist denn da passiert, ist die Windel geplatzt? Anscheinend hatte die Kleine heute Nacht die Muttermilch der letzten vier Tage aus all ihren Körperöffnungen gepresst. Nur ich hatte davon nichts mitbekommen und friedlich weiter geschlummert. Puh, Glück gehabt. Allerdings blieb das Säubern und Umziehen an der kränkelnden Mutter hängen. Ups. Das musste ich irgendwie wieder gut machen.
Während Anky und Josefine im Bett schlummerten und Schlaf nachholten, verbrachten mein Schwiegervater und ich die Zeit auf der Couch bei einem guten Buch und einer Tasse Kaffee. 9.30 Uhr, der Magen grummelte bereits. Auch essen und trinken halfen nicht und Anky ging es nicht wirklich besser. Ich durfte also an mein Werk und Anky mit Speisequark einreiben und in Wickel einpacken. Eine nette Abwechslung mit Liebesspielpotential, allerdings war in der jetzigen Situation kein Hauch von Erotik zu spüren.
Anky schlief bis abends, während ich das Treiben am Meer von den Dünen aus beobachtete. Immer mit der Angst, mir doch noch einen Sonnenstich einzufangen. Ich hatte das einmal nach einem Tag am See in Duisburg erlebt. Übel, im wahrsten Sinne des Wortes.
Und wo kann man sich davor schützen und gleichzeitig den „Wasserhaushalt“ ausgleichen – natürlich in der Strandbar.
Als ich zurückkam sah Anky schon viel besser aus. Das Wundermittel Speisequark! Deshalb gab es gleich noch eine Ladung. Diesmal wurden die Wickel von mir „professionell“ vorbereitet. Das bedeutete Küchenrolle zurechtschneiden, Brusthöfe aussparen, Quarkschicht auftragen und Anky in Frischhaltefolie einwickeln.
Wieder ausgerollt und abgeduscht machten wir uns zu dritt auf den Weg in die Stadt zum Abendessen. „Kulinarische Finessen“ fanden wir auf der Speisekarte des Zonnig Zuid. Schnitzel Wiener Art. Mit wenig Salat, viel Fleisch und Pommes. Für unseren Geschmack hätte die Portion größer ausfallen können, allerdings konnte man für rund 12 EUR pro Gericht kaum mehr verlangen und geschmeckt hatte es alle mal.
Gleich um die Ecke belegten wir einen Platz in der ersten Reihe des Café de Klok, um bei einem Getränk die Leute zu beobachten. Aber genauso oft wurde unsere Tochter beobachtet. „Oh ist die süß. Wie alt ist sie denn?“ – Vier Wochen alt. Danke fürs Vorbeischauen, das macht zwei Euro.“ Wir dachten schon daran ein Schild aufzustellen: Gucken 1 EUR, Gucken und Fragen stellen 2 EUR, Selfie 10 EUR. Naja, zugegeben, man ist ja auch stolz wenn man sowas hört.
Der Abend wurde noch richtig gemütlich und vor allem interessant. Die Geschichten des Schwiegervaters über seine Reisen durch Amerika und auf die Philippinnen sind legendär, lustig und versaut. Aus Datenschutzgründen ist eine Vertiefung und Ausführung an dieser Stelle nicht möglich.
Dienstag, 8.5.
10 Uhr. Wir pellten uns aus dem Bett. Die Kleine hatte wieder sechs Stunden geschlafen. Super. Anky ging’s auch besser und wir konnten den Urlaub fortsetzen. Das Wetter war wieder herrlich und so schlenderten wir mit dem Kinderwagen durch die Einkaufsstraße von Egmond. Da noch ein paar Medikamente einkaufen, hier noch ein Frühchen-Body. Ganz so lang konnten wir aber nicht Draußen bleiben, denn im Kinderwagen staute sich die warme Luft und die Großeltern konnten die Rückkehr von Josefine sowieso kaum erwarten.
Während unser „Äffchen“ also im kühlen Ferienappartement gesättigt schlief, kümmerten wir uns um unser eigenes leibliches Wohl. Es ging zum Imbiss „Vis aan Zee“, um eine Portion Kibbeling zu verdrücken. Das ist Pflicht an der niederländischen Nordseeküste. Und so verdammt lecker.
Auf dem Weg zum Strand lockte natürlich noch die Eisdiele. Am Wasser ging es zurück. Egmond ist ein Familienbadeort. Seichtes Wasser, breite Strände und genug Platz für hunderte Menschen, meist Familien mit Kindern.
Das sollte man wissen, wenn man Urlaub in Egmond macht. Wobei ich glaube, daß man sich als Tourist auf der Suche nach ruhigen Orten und kinderfreien Restaurants auch fündig werden kann.
Ausnahmsweise pünktlich verließen wir das Appartement zur abendlichen Speisung. Ziel war das Grand Café Restaurant Het Wapen van Egmond. Das Essen war gut, das Bier beim zweiten Glas auch. Den Ort Arcen kenn ich durch das Feen-Festival, wusste aber bis heute nicht, dass sich hier auch die Hertog Jan Brauerei befindet. Der Name des Bieres geht auf den Feldherrn und Bierliebhaber Hertog Jan von Brabant und von Limburg zurück. Und da ich bewusst den abendlichen Tablettencocktail ausgelassen hatte, den ich derzeit nehmen muss, wurden es ein paar Pils mehr.
Den Abend ließen wir im Café de Klok ausklingen. Unsere Tochter im Minnie Maus Outfit sorgte für Aufmerksamkeit. Normalerweise wären wir die gewesen, die mit dem Finger auf die Eltern gezeigt hätten, die ihr Kind in ein solches Outfit stecken. Aber nun wurde auf uns gezeigt und über uns getuschelt. Ich muss zugeben, dass von Oma gekaufte Outfit sieht aber wirklich ganz süß aus. Das fand auch die Arbeitskollegin, die mich plötzlich und unerwartet ansprach. „Herr Schulze?“. Was für ein Zufall. Statt eines Städtetrips hatten ihre Tochter und sie sich diesmal für einen Ausflug ans Meer entschieden. Und wie der Zufall es eben wollte, saßen wir im gleichen Ort, im gleichen Café und zur gleichen Zeit fast direkt nebeneinander.
Mittwoch, 9.5.
Egmond ist eng mit einer Reihe von Mönchsorden verbunden. Es gibt drei Klöster in der Nähe von Egmond, die immer noch bewohnt sind, einschließlich der Abtei von Egmond in Egmond-Binnen. Das Kloster Egmond blickt auf eine Jahrhunderte alte Geschichte, die bis ca. 600 n.Chr. zurückgeht. Jahrhundertelang war die Abtei, neben Krankenhaus und Unterschlupf für Arme und Waisen, auch immer ein Bildungszentrum. Die Mönche waren Experten der Wasserwirtschaft und Ackerbau. Im angeschlossen Museum befindet sich eine Dauerausstellung, sie zeigt u.a. archäologischer Funde und einer Maquette der mittelalterlichen Abtei.
Pünktlich im 12.30 Uhr erreichte ich zum Mittagsgebet die Abtei. Ich vermute es sind so rund 15 Mönche, die vor Ort leben und arbeiten. Der Garten rund um das Kloster ist zum Teil öffentlich begehbar und toll gepflegt. Das lädt zum Spazierengehen ein. Und immer wieder findet man Stellen, an denen man sich hinsetzen und nachdenken kann.
Mein nächster Halt führte mich nach Wijk aan Zee. Den Ort ließ ich links liegen und fuhr entlang der Dünenlandschaft direkt bis zum North Pier. Der breite Strand lockt viele Familien an, ist aber auch bekannt als einer der besten Surf- und Kite-Hotspots Nordhollands. Die Umgebung ist allerdings geprägt von großen Industrieanlagen, rauchenden Schornsteinen und großen Windrädern. Das tut dem Besuchersturm allerdings keinen Abbruch. In den Dünen vor dem North Pier kann man die Skulpturen „Ein Meer von Stahl“ bei einem Spaziergang besichtigen. Von Egmond kann man die 20 Kilometer bis nach Wijk übrigens gemütlich mit dem Rad abfahren.
Reisekoffer und Wickeltasche waren gepackt. Auf Grund der Voraussagen über kilometerlangen Staus im ganzen Revier am morgigen Christi Himmelfahrtstag, hatten wir entschieden schon an diesem Abend nach Hause zu fahren und somit zu vermeiden, mit Baby an Bord lange im Stau zu stehen. Doch bevor es nach Hause ging, wurde nicht nur das Kind „abgefüllt“, auch Eltern und Großeltern schnabulierten im Restaurant Zilte Zoen. Schönes Ambiente, gutes Essen. Preise angemessen. Nur der Service ließ zu wünschen übrig. Die lange Wartezeit auf das Essen und die fehlende Aufmerksamkeit des Personals, trübten den Gesamteindruck etwas.
Die Rückfahrt gestaltetete sich unkompliziert. Frau und Kind schliefen kurz nach der Losfahrt ein und wachten zweieinhalb Stunden und ein paar Meter vor der Haustür wieder auf. Willkommen zuhause.
FAZIT:
Kann man mit einem „Frühchen“ schon einen Urlaub machen? Ja kann man. Auch wir waren unsicher, doch unter den beschriebenen Bedingungen fühlte sich nicht nur das Kind wohl, sondern auch wir als Eltern. Fahrt, Hitze, fremde Umgebung. Für „Josefine“ alles kein Problem. Natürlich hatten wir darauf geachtet, dass Pausen eingelegt wurden und genug Schattenplätze in der Nähe waren, wenn es bei den warmen Tagen mit dem Kinderwagen durch die Gassen von Egmond ging. Mit etwas Vorbereitung lässt sich das einfach managen. Auch wenn wir unsere eigenen Zeitplanungen nicht mehr einhalten konnten. Und ein Dank gilt natürlich den Großeltern, die Anky und mir ermöglichten, ein paar Stunden für uns alleine zu haben.
Sehr schöner Bericht, habe ich jetzt auch auf meiner „to do“Liste.
Danke. Ein Besuch lohnt sich!