Vorwort:
Irland, wollte ich schon immer mal hin. Um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen buchte ich bei Ryanair für wenig Geld einen Flug nach Dublin. Drei Nächte in einem günstigen Hotel für 149 Euro. Airbnb Unterkünfte in der City waren teurer und auf ein 10-Bett Zimmer in einem Hostel, nein. Aus dem Alter bin ich raus. Klar, Landschaft wird bei dem Citytrip weitgehend außen vor bleiben, aber ich will mir mir auch lediglich einen ersten Eindruck verschaffen, meine Reiselust befriedigen und das ein oder andere Guinness trinken. Mit Blick auf die wirklich schlechte Wettervorhersage ein paar Tage vor Abflug, war ich kurz davor die Reise zu stornieren und in Kauf zu nehmen, dass ich auf den Flugkosten sitze bleibe. Gut, dass ich den inneren Schweinehund überwunden habe und doch geflogen bin, aber lest selbst.
Mittwoch, 13. Januar
Soeben aus Hamburg zurückgekommen, blieben mir noch zwei Stunden um mich frisch zu machen, den kleinen Reiserucksack zu packen und dann wieder zum Flughafen Köln/Bonn zu fahren. Am Essen Hbf beobachtete ich die Leute, die gerade vom Büro auf dem Weg nach Hause waren. So richtig glücklich sah allerdings keiner aus. Bevor ich meinen neuen Job starte, wollte ich nochmal ein paar Tage alleine raus… die Wahl fiel auf Dublin. Einfach die Stadt ansehen und mir einen ersten Eindruck von Irlands Hauptstadt verschaffen. Ich kam mir vor, als wär ich die einzig grinsende Person am Bahnhof. Ich freute mich auf den Kurztrip, aber gleichzeitig musste ich mit Blick auf das gestern verübte Attentat in Istanbul an meinen letzten Städtetrip zurückdenken. Vor zwei Monaten verbrachte ich die Zeit auf dem Vorplatz der Haga Sophia und ließ das Treiben Istanbuls bei schönsten Wetter auf mich wirken. Ist Istanbul nach dem gerade geschehenen Anschlag die gleiche Stadt wie vorher? Ich wünsche es mir sehr und hoffe ihr lasst euch nicht davon abbringen, diese tolle Stadt wieder oder zum ersten Mal zu besuchen.
Am Flughafen Köln angekommen checkte ich meinen APP Ordner „Aktuelle Reise“. In der Ryanair App versteckt sich nach dem Online Check-In bereits das Bordticket und weil ich mit Handgepäck reiste, brauchte ich nur noch das Smartphone mit dem Barcode an die Schleuse halten und konnte direkt die Bar „Kölsch & Co“ ansteuern, um mich hier niederzulassen, ein Gläschen Kölsch zu trinken und per Free Wifi nach coolen Bars in Dublin zu recherchieren. Wie immer war ich weit vor Abflugzeit am Airport, da kommt der Beamte in mir durch. Auf Nummer sicher, so entspannt wie möglich und den Flug bloß nicht verpassen, auch wenn drei Regionalbahnen hintereinander ausfallen. Trotz meiner spontanen Reisen bin ich meist gut durchorganisiert. Ein wenig zu gut wie ich finde. Einen Teil dieser „Krankheit“ muss ich lernen abzulegen. Zumindest für zukünftige längere Reisen. Treiben lassen ist das Stichwort.
Statt zu treiben flog ich nun aber erst einmal mit Ryanair nach Dublin. Die engen Sitzreihen für mich als kleines Kerlchen unerheblich, aber mir war nicht bewusst, dass es hier noch nicht einmal Gepäcknetze am Sitz des Vordermannes gibt. Naja, selbst auf die kleinsten Annehmlichkeiten kann man auf so einem kurzen eineinhalb Stunden Flug ruhig mal verzichten. 23.10 Uhr, Ankunft in Dublin. Bis die Treppe da war und ich aus dem Flugzeug kam vergingen weitere zehn Minuten. Beine in die Hand und los ging es im Schnellschritt durch die Terminalhallen. Am Gepäckband musste ich glücklicherweise nicht anstehen, sondern konnte direkt den Zöllnern in die Arme laufen. Lächeln und den „I Love Ireland“ Gesichtausdruck aufgelegt steuerte ich zielgerichtet auf den „grünen“ Ausgang zu. Jetzt nur keine Kontrolle, sonst kann ich den Airlink 747 Bus in die City vergessen. Es klappte. Am Bus gab es noch eine Hürde, der Busfahrer konnte keinen 50 Euro Schein wechseln und gab mir 30 Sekunden um zum Automaten zu kommen, ein sechs Euro Single Ticket zu ziehen und und wieder einzusteigen. Dank flinker Kreditkartenzahlung ohne Pin Eingabe unterschritt ich seine Zeitvorgabe. Da war selbst der Busfahrer überrascht.
Etwa eine halbe Stunde dauert die Fahrt zur Busaras Central Busstation. Dank guter free wifi Verbindung in den Bussen konnte ich die Zeit sinnvoll nutzen und und mir den kürzesten Fußweg von der Haltestelle zum Hotel raussuchen. 250 Meter. Ok, das war zu schaffen. Am Maple Hotel war der Check-in in einer Minute erledigt und ich bekam die Schlüssel für Zimmer 15 in der 2. Etage ausgehändigt. Klein, altbacken, aber sauber. Entgegen der Kritiken im Netz konnte ich weder Schimmel oder Matratzen feststellen, bei denen die Federn zu spüren sind. Zugegeben, die Zimmer sind hellhörig, das einfachverglaste Fenster zur Hauptstraße war von innen beschlagen und die Straße gut zu hören. Keine Wärmedämmung und deshalb lief die Heizung auf Hochtouren, selbst einen kleinen Konvektor hätte man mir für den Fall der Fälle ins Zimmer gestellt. Ist da etwa gerade ein Ford Focus vorbeigefahren? Das Motorgeräusch kenn ich. Aber halb so wild, nachts ist wenig Verkehr und tagsüber bin ich sowieso nicht hier. Wie nervig der Lärm durch die dünnen Fenster ins Zimmer noch werden würde, ahnte ich in diesem Moment noch nicht.
Donnerstag, 14. Januar
Außer einer halbstündigen Gesangsorgie eines betrunkenen Pubbesuchers hatte mich in dieser Nacht nichts gestört und so konnte ich fit um 9 Uhr in den Tag starten. Entgegen der Wettervoraussetzungen begrüßte mich die Sonne und ein strahlend blauer Himmel. Mein erster Weg auf der Suche nach etwas Essbaren führte mich über den River Liffey, vorbei am Trinity College zum Park St. Stephens Green. Ich mag dies grüne Oasen in der City, aber ein kleines Café im oder am Park fand ich dort nicht.
In der Ferne entdeckte ich St. Pauls Cathedral und entschied, erst einmal weiter die Stadt zu erkunden und steuerte zielgerichtet darauf zu. Irgendwo wird sich schon was finden. Der St. Patricks Park scheint allerdings die örtliche Hundewiese zu sein, zumindest trafen sich ein Dutzend Hundehalter auf der kleinen Fläche und ließen ihre Pfiffis herumtoben. Hunde konnte ich nicht erkennen, lediglich nervige kleine Fußabtreter. Also drehte ich wieder um und kam eher per Zufall an Christ Church Cathedral vorbei. Für sechs Euro erkundete ich die Kathedrale, den Schatz in der Krypta und die verschiedenen Kapellen. Ich mag Kirchen einfach. Und so saß ich in völliger Stille eine geschlagene Stunde einfach so in der Marienkapelle und beobachtete die Sonnenstrahlen, die durch die Bleiglasfenster in das Kirchenschiff schienen.
In der der 1028 erbauten Kathedrale waren kaum Besucher und so wurde ich aus meiner Ruhephase erst um kurz vor zwölf gerissen, als die Vorbereitungen für das Friedensgebet getroffen wurden. Im gleichen Atemzug meldete sich mein Magen, der mich zu Spar auf der Dame Street führte. Da gab es dann auch erst einmal Frühstück und Kaffee. Diese Spar-Märkte sind nicht mit unseren vergleichbar, sie ähneln eher einem Cafe mit Einkaufsmöglichkeit und bieten übrigens leckere Snacks für Zwischendurch. Den Mittag verbrachte ich damit die verschiedenen Viertel zu erkunden, u.a. Tempel Bar, Zentrum und die Gegend rund um mein Hotel, die O’Connell Street, dem Shoppingviertel der City.
Um 15 Uhr startete dann die Führung durch The Old Jameson Distillery. Nach einer kurzen Einweisung per Film führte uns eine junge Angestellte rund 20 Minuten durch das „Museum“ und erläuterte die Geschichte und den Prozess der Herstellung des Jameson Whiskeys. Und wie ich lernte, ist die Besonderheit das dreimalige destillieren. Ich bin kein Whiskey Trinker, aber ich muss zugeben, beim direkten Vergleich während der Verköstigung mit einmal destillieren Whiskey (u.a. Jim Beam) und den zweimal destillierten Scotch (u.a. Johnny Walker) wurde auch mir der Qualitätsunterschied deutlich. Selbst mir als Whiskey Laie wird klar, die vorher genannte Plörre kann nur als günstiges Mixgetränk herhalten, aber pur hat das nichts mit Geschmack zu tun. Und der Jameson schmeckte wirklich gut, auch wenn dieser von echten Whiskey-Liebhabern nicht als erstklassig bezeichnet wird. Und so gönnte ich mir an der Bar gleich noch das im Tourpreis enthaltene Gratisgläschen in einer bunt gemischten Runde Amis, Niederländer und Franzosen.
Auf dem Weg zurück ins Hotel gab es dann eine kuriose Situation. Ein paar mal fuhr so ’nen Typ mit seinem Fahrrad eng an mir vorbei, und als er ein weiteres Mal ankam, wollte ich gerade was sagen, als er los düste und meinem Nebenmann das Smartphone aus der Hand riss und abhaute. Aus Angst dass der Besitzer ihn doch noch einholte, ließ der Dieb das Handy nach 100 Metern fallen und ich konnte dem flinken „Opfer“ seine Käppi zurückgeben, das er beim Spurt verloren hatte. Gut dass ich mein Handy gerade mal in der Tasche und nicht auf den Citymaps plan geschaut hatte.
Freitag, 15. Januar
Bis zum Einschlafen habe ich etwas gebraucht, durch die dünnen Fenster fühlt man sich als würde man direkt im Freien neben der Straße schlafen. An die Verkehrslautstärke hatte ich mich schnell gewöhnt und begann statt Schäfchen Fahrzeuge zu zählen. Aber als sich gleich zwei Personen in dieser Nacht lautstark unter dem Gelächter ihrer „Freunde“ irgendwo in der Nähe meines Fensters erbrachen, wies ich den Rezeptionisten auf das dünne Fenster hin und riet dazu es zu ersetzen und warb gleichzeitig dafür, dass die Heizkosten dadurch stark sinken werden. Er nahm meinen Hinweis ausdruckslos zur Kenntnis. Diese Konversation bekommt das Prädikat „erfolglos“. Etwas gerädert wachte ich um 6.30 Uhr auf, der Berufsverkehr startete. Und so hatte ich genug Zeit mir einen Tee zu machen, Irish Soaps zu schauen und pünktlich um 9.20 Uhr vor dem Gresham Hotel zu stehen. Denn dort war der Treffpunkt für meinen heutigen Tagesausflug. Die „Wild Wicklow“ Tour hatte ich bereits zuhause über Guidedtours.de gebucht. Es ging raus aus Dublin, u.a. zu den Klosterruinen von Glendalough, bei eisig kaltem Wind aber dafür bei strahlend blauen Himmel.
Am Treffpunkt begrüßte mich ein gutgelaunter Busfahrer namens John, der gleichzeitig den Tourguide und Animateur gab. Auf unserem Weg raus aus der Stadt sah ich die Zugverbindung, die entlang der Küste (Dublin Bay) führte. Eine tolle Strecke, sollte ich mich mal wieder in Dublin rumtreiben, werde ich die Fahrt Richtung Wicklow mal mit dem Zug fahren. Nach einer kurzen Stop am James Joyce Tower am Sandycove Park ging es vorbei an Bulloch Castle zum Killney Hill Park.
Vom Fitzpatrick Castle Hotel spazierten wir hoch auf den Victory Hill. Von dort oben hat man einen wundervollen Ausblick, unter anderem auf das Anwesen von U2 Sänger Bono. Auf dem Weg kam ich schnell mit einem Studenten aus Prag ins Gespräch, der derzeit und London lebt und studiert und ebenfalls alleine reiste und mit dem ich mich über unsere Reiseerfahrungen austauschte. Kaum zu glauben aber wahr, durch den Black Friday Sale hat Miky für seinen Flug mit Ryainair lediglich vier Pfund gezahlt. Irre. Auch eine junge Dame aus Deutschland war an Bord. Janzu ist ebenfalls das erste Mal in Irland und besucht hier Ihren Bruder, der in seit mehreren Jahren in Dublin arbeitet. Sie hat durch ihn und dessen irischer Frau nochmal einen intensiveren Blick auf Dublin und plauderte etwas aus dem Nähkästchen, unter anderem von den unglaublichen Immobilienpreisen in Dublin. So sei es nicht ungewöhnlich, dass man für ein kleines Haus mit 100 Quadratmetern in der City eine Millionen Euro hinlegen muss. Chapeau.
Nach dem halbstündigen Fußmarsch ging es mit dem Bus weiter, vorbei an einer kleine Burg in der Sängerin Enya lebt. Rund um Killiney Beach gibt es zahlreiche Residenzen, bei der Lage verständlich. Im Schatten des Great Sugar Loaf Mountain gab es dann die erste Kaffeepause. Kurz aufgewärmt ging es weiter nach Glendalough, das „Tal der zwei Seen“ in den Wicklow Mountains.
John erläuterte uns innerhalb der Ruinen und des Friedhofs die Geschichte des Heiligen Kevin, der sich im 6. Jahrhundert hier niederließ und angeblich im Alter von 120 Jahren gestorben sein soll. Jährlich feiern in diesem Tal die Pilger am 3. Juni den St. Kevin’s Day.
Nachdem wir die Umgebung erkundet hatten ging es zum unweit gelegenen Lynham Restaurant zum Lunch und auf ein Pine of Guinness. Gestärkt ging es dann entlang der Wege zum Upper Lake.
Entgegen unserer Meinung, handelt es sich nicht um einen See oben auf dem Berg, sondern lediglich um einen angrenzenden See , also westlich des Lower Lake. Unser kleiner Ausflug zum „top of the mountain“ wurde nach 45 Minuten durch einen Anruf von Janzus Bruder – der mit seiner Frau im Bus saß – unterbrochen, und der sich im Namen von Busfahrer John meldete und uns erläuterte, dass wir schnellstmöglich wieder vom Berg kommen sollten und seine Schwester gleichzeitig darüber aufklärte, wo genau der Upper Lake liegt.
Also drehten Miky, Janzu, die vier britischen Mädels, die fünfköpfige italienische Familie und ich um und machten uns an den Abstieg. Eine halbe Stunde später kamen wir am Bus an, John lachte nur über unseren „mountain climbing“ Ausflug und verteilte an die Runde ein Pinchen Jameson Whiskey zum aufmuntern. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass John kein Whiskey trank, sondern Wasser. Anekdote: bei einer Bewertung über Tripadvisor schrieb ein Gast mal, dass der Fahrer selbst mitgetrunken hatte und John sich vor seinem Boss dafür rechtfertigen musste. Slainte. Und zwischen den Bergen von Wicklow Mountain endete dann unser Trip, leider konnten wir auf Grund von Straßensperrungen wegen des Schnees in den Bergen keinen weiteren höhergelegenen Punkte mehr anfahren und so machten wir uns am späten Nachmittag wieder auf den Weg nach Dublin. Ich wäre gern noch etwas geblieben, denn nachmittags wenn die Sonne langsam hinter den Bergen verschwindet, leuchten die Wälder und Wiesen in einem ganz besonderen Licht.
Nach einer warmen Dusche machte ich mich auf den Weg zum Jersey Einkaufszentrum, um mich dort mit einem Freund zu treffen. Bereits Silvester hatten Kai und ich uns bei einer Feier in Kamp Lintfort für ein Treffen verabredet. Kai lebt und arbeitet in Dublin, war an den Feiertagen und zum Jahreswechsel zu Besuch bei seiner Schwester und hatte uns an diesem Abend ein vorzügliches Essen zubereitet. Wir machten uns also auf dem Weg zum Viertel Temple Bar. Wusstet ihr das sich der Mietpreis in Irland nicht nach Quadratmetern, sondern nach der Anzahl der Schlafzimmer berechnet wird? Statt in eine „größere“ Wohnung zu ziehen, verbessert man sich hier, wenn man von 1-bedroom in eine 2-bedroom Wohnung zieht und fast unabhängig von der Quadratmeterzahl oder Anzahl der weiterer Zimmer gerne mal mit 1500 Euro plux X rechnen muss. Unseren ersten Stop machten wir im Porterhouse.
Drei Etagen, mehrere Bars, Live Music. Eine coole Location, freitagabends natürlich voll und ein echter Touritreff. Wir ergatterten die letzten zwei Plätze an der Bar, bestellten Chicken Wings und tranken das ein oder andere Stout, die selbstgebraute Alternative zum Guinness. Ein wirklich leckeres Gebräu.
Auf unserem Weg zum nächsten Pub kamen wir an mehreren Straßenmusikern vorbei, für mich normalerweise ein Grund länger dort zu verweilen und zuzuhören, aber in diesem Fall hielten wir nie kurz an und lauschten. Einige der Jungs haben richtig abgerockt, oder besser gesagt ihre neuen Fans.
Unser nächster Halt war das Woods, eine local Bar in die sich höchstens mal ein Touri versehentlich verirrt oder wie ich mitgeschleppt wird. Eine nette kleine Location in der sich die Twens zum vorglühen treffen oder mitfünfziger Damen mit „Happy Birthday“-Kopfschmuck ihren Geburtstag feiern. Was Kai an Irland übrigens nicht mag, so erzählte er mir beim nächsten Guinness, ist die Unpünktlichkeit der Iren. Ob zum Essen verabredet oder zum Sport, sei immer eine halbe Stunde später als abgemacht am Ort und du bist immer noch als erstes am Treffpunkt. Und auch hier in der Bar fällt es mir wieder auf: Der Modetrend bei jungen Irinnen sind Leggins und dazu einen Dutt tragen. Alternativ geht natürlich auch der Ausgehjogger.
Um 0 Uhr zogen wir weiter zum Pub „The Norseman“ und ergatterten den letzten und besten Platz, nämlich einen Tisch zwischen den Türen der Damen- und Herrentoilette. Ich war kurz geneigt mich bei vorbeigehenden Gästen als Motombo Umbokko, den Austausch-Toilettenmann aus Deutschland vorzustellen, belasse es dann aber doch dabei und stelle auch kein Trinkgeldschälchen auf. Apropro Toilettenmann. Die Herrentoilette blitzt, am Waschbecken stehen Parfümfläschchen, vor dem Händewaschen wird Seife und nach dem Händewaschen Papier zum abtrocknen gereicht. Was ist denn hier los. Darf ich vorstellen, der freundliche Toilettenmann von nebenan und die Genehmigung zur Veröffentlichung des Fotos habe ich eingeholt.
Aus Afrika stammt er, lebt seit mehreren Jahren in Irland und hat so gut wie keine Chance auf einen Job. Im The Norseman ist er nicht angestellt, sondern wird geduldet. Er kauft die Putzutensilien und das Parfüm selbst und lebt von den Trinkgeldern, die die Gäste ihm geben. Ein Tipp von Kai. Solltet ihr in einem Pub mal längere Zeit verbringen, gleich zu Beginn ein „ordentliches“ Trinkgeld geben und ihr hab über den gesamten Aufenthalt eine super Toilettenservice. Das geht soweit, dass euch bei nochmaligen Eintritt und vor Benutzung eines Klos oder des Pissoirs dieses extra für euch gesäubert wird. Ich war vom Service und von der Nettigkeit schwer beeindruckt und kam mit dem jungen Mann schnell ins Gespräch, schließlich wollte ich etwas mehr über von ihm und seiner Arbeit wissen.
Als die Live Musik einsetzte stieg die Stimmung im Laden. Es wurde getanzt, gelacht und gefeiert. Und wir verlagerten unseren Ort mit Blick auf den Musiker. Aber in einem kurzen Moment der inneren Stille merkte ich, dass ich irgendwie mein Heimatgefühl verliere. Das war kein schleichender Prozess, sondern eher so etwas wie eine Eingebung. Das „ich freue mich auch wieder auf Zuhauses“-Gefühl ist irgendwie weg. Zumindest was den Ort angeht, nicht die Menschen. Was hat das zu bedeuten? Ich kann es nur vermuten. Aus den Gedanken werde ich gerissen als ein Wolfgang Petry Verschnitt eine junge Dame aus der Truppe hinter uns über den Parkett wirbelt. Mein „böser Blick“ lenkt den Tänzer von seiner weiteren Anmache ab und er lässt die junge Frau los. Diese dankt es mit einem netten Lächeln und einen süßen Blick und von ihren Freunden hinter mir bekomme ich sogar ein Schulterklopfen. So funktioniert das mit dem Flirten, hatte ich ganz vergessen. Aus gegeben Anlass konzentriere ich mich aber wieder auf mein Guinness und höre fasziniert Kai zu, der mir von seinen Trips und Reisen erzählt und wirklich schon viel von der Welt gesehen hat. Besonders inspirierte mich sein Reisebericht zum Nordkap mit seinem Vater. Nordkap, ja, dieser Reiseplan kam Anfang des Jahres tatsächlich auch schon bei mir auf und ich werde darin bestärkt das ganze weiterzuverfolgen.
Ein besonderer Moment des Abends – und Kai und ich dachten genau dasselbe – war eine simple und im Zuge der aktuellen Islam-Diskussion doch aktuelle Feststellung: Christen, non-religious und Muslime können doch zusammenfeiern. Die junge, mit Kopftuch bedeckte, Muslimin und ihre muslimischen Freunde tranken, feierten und tanzten ausgelassen mit allen anderen im Pub und machten kräftig Stimmung. Komisch, dass wir beide dieses als besonderen Moment wahrgenommen haben, aber irgendwie war die Szene vor uns so beispielhaft gut, um die vielen derzeit kursierenden pauschalisierten Vorurteile zu widerlegen.
Es muss so 2 Uhr gewesen sein als wir den Pub verließen und uns verabschiedeten und mich mein Hunger zu Burger King an The Spire trieb. The Spire, oder offiziell „Monumet of Light“ ist eine 123 Meter hohe Nadel aus 126 Tonnen schweren Edelstahl und ist das Wahrzeichen der Stadt. Mir gefällt die umgangssprachliche Bezeichnung „Stiletto in the Ghetto“ aber wesentlich besser. 🙂 Die zwei Securities an den Türen der Fastfoodkette hatten in dieser Nacht einiges zu tun, denn der Alkohol hatte bei vielen Gästen seine Spuren hinterlassen. Hysterische Mädels, aggressive Jungs und ein paar völlig Verpeilte. Vom Secu bekam ich einen Platz in der Ecke mit den Tischen für – so glaube ich – die Kategorie „angetrunken aber friedlich“ zugewiesen und beobachtete das Geschehen ein geschlagene Stunde. Dublin @ Night, schon interessant.
Samstag, 16. Januar
Es muss so um 4 Uhr gewesen sein, als ich endlich ins Hotelbett gefallen bin, und an diesem Morgen nutzte ich jede Minute aus. Erst zwei Minuten vor regulärer Check-out Zeit, um 11 Uhr, gab ich den Schlüssel an der Rezeption ab, zahlte und trottete auf die Straße. Das Wetter ist bewölkt und motiviert für lange Fußmärsche war ich nicht. Da ich weiß, dass das Frühstück bei Spar in der The Dame Street gut und günstig ist, führte mich mein Weg direkt dahin. Mein Flieger geht zwar erst um 18.45 Uhr, aber bereits um 12 Uhr saß ich im Bus 747 zum Flughafen. Mein Motivation mir noch irgendwas anzuschauen war im Keller und zugegeben, mir war auch ein wenig schlecht. Das muss am letzten Burger gelegen haben. Vielleicht gibt’s ja ein Flug der früher geht und den ich mit Aufschlag nehmen kann. Leider nein. Zwar hätte ich um 14 Uhr die Maschine nach Bremen nehmen können, aber Ryanair will 100 EUR und das Zugticket von Bremen käme ja auch noch dazu. Ne, das ist mir zu teuer. Also hieß es warten, in die Bar am Airport setzen, surfen, diesen Reisebericht schreiben und Leute beobachten. Ein kurzer aber toller Citytrip nach Irland ging hier zu Ende.
Fazit: Dublin hat mir gut gefallen und eine Rückkehr ist sicher. Der kurze Citytrip vermittelt aber natürlich nur einen sehr oberflächlichen Eindruck. Ich möchte wiederkommen, dann etwas länger und mit Ausflug nach Belfast und mit dem Auto quer durch das Land. Die City ist toll, aber mich reizt die Landschaft. Das nächste Mal, so habe ich mir fest vorgenommen, geht’s dann eben mit dem Mietwagen durch Irland. Wer kommt mit?